Tanja reist als Digitale Nomadin mit ihrem Van durch Europa. Sie arbeitet u. a. als Webdesignerin, Texterin und im Bereich Internetmarketing. Besonders gut gefällt es ihr in Portugal, denn dort gibt es optimale Bedingungen für Digitale Nomaden mit Büro im Wohnmobil.
In diesem Interview erzählt Tanja von den Herausforderungen und Vorteilen als Digitale Nomadin im Vanoffice zu arbeiten.
Lies auch hier, wie sich Langzeitreisende die Weltreise finanzieren.
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Digitale Nomadin mit Vanoffice: Die Herausforderung Reisen und Arbeiten unter einen Hut zu bringen.
Zunächst wäre es toll, wenn du dich kurz vorstellen würdest. Wo und wie lebst du? Wo und wie reist du? Womit verdienst du deinen Lebensunterhalt? Seit wann arbeitest du unterwegs?
Ich (Tanja, 36) lebe, reise und arbeite im Wohnmobil, seit Juli 2015 bin ich nun unterwegs.
Anfang letzten Jahres habe ich mir einen Kastenwagen gekauft, und während die Kündigungsfrist für mein gemietetes Haus noch lief habe ich diesen ausgebaut und mein beschauliches Leben im Schwarzwald quasi aufgelöst.
Alles, was geblieben ist: eine Meldeadresse und eine halbe Garage mit Möbeln und Kartons.
Geplant war ein einjähriger Trip durch Europa: im Sommer durch Deutschland, im Winter über die Iberische Halbinsel. Doch wie es so ist im Leben:
„Immer wenn der Mensch anfängt, seine Zukunft zu planen, fällt im Hintergrund das Schicksal vom Stuhl vor Lachen!“
Wilhelm Busch
So bin ich letzten Winter in Portugal hängen geblieben.
Für den digitalen Nomaden ein traumhaftes Land – super Klima, super Internet, nette Menschen. Ein kleines Land, das viel zu bieten hat.
Dort habe ich auch meinen neuen Freund kennen gelernt, der ebenfalls im Wohnmobil reist und arbeitet. So fahren wir seit einigen Monaten mit zwei Fahrzeugen und zwei Hunden durch Europa.
Wieder sesshaft werden? Das kann ich mir derzeit überhaupt nicht vorstellen.
Selbständig bin ich bereits seit 2009. Angefangen habe ich mit Kundenaufträgen (Webdesign, Printdesign, Texte, Internetmarketing).
Doch schon bald begann ich damit, mein Geschäft auf mehrere Standbeine zu stellen. Unabhängiger werden von einer Arbeit, die unter Termindruck gemacht und nach Stunden abgerechnet wird – das war mein Ziel.
Und so befasste ich mich intensiver mit den Themen Suchmaschinenoptimierung, betreibe heute verschiedene Seiten, mit denen ich Geld verdiene. Egal, ob ich mal krank bin oder bei 30 Grad faul in der Sonne liege – so kommt auch in diesen Zeiten was rein.
Wir haben festgestellt, dass es gar nicht so einfach ist Arbeiten und Reisen unter einen Hut zu bekommen. Wie empfindest du das?
Gerade zu Beginn meiner Reise hatte ich große Probleme damit. Insbesondere wenn du mehrere aktive Kundenprojekte am Laufen hast… Irgendjemand hat immer irgendetwas Dringendes. Doch ich habe dazu gelernt.
Ein entsprechend offenes Briefing von Kunden ist wichtig. Ich habe Stammkunden, die es toll finden was ich tue. Die wissen, dass Emails nicht binnen Stunden gelesen oder beantwortet werden. Projekte mit Zeitdruck kommen kaum noch vor, und so kann ich Aufgaben flexibel erledigen. So etwas wie feste Arbeitszeiten habe ich nicht. Mal arbeite ich am Vormittag, mal am Abend. Das funktioniert, solange du keine sechs oder acht Stunden am Tag arbeiten MUSST.
Und darum geht es ja auch: weniger Arbeit, und diese dann erledigen wenn es einem „reinläuft“, wenn einen die Muse küsst. Dafür mehr reisen und in den Tag hineinleben, das Leben lebenswerter gestalten.
Wo liegen deiner Meinung nach die Herausforderungen beim Arbeiten „von unterwegs“ als Digitale Nomadin?
In Deutschland liegt das Problem öfters mal beim Internet. Wir stehen normalerweise frei, und die deutschen Mobilfunknetze sind nicht nur schlecht, die Anbieter lassen sich jedes Gigabyte vergolden. Das wird dir bewusst, wenn du Länder wie Portugal, Polen oder Frankreich bereist hast. Irgendwie gibt es hier nicht nur bessere Netze, sondern es ist auch wesentlich günstiger. Idealerweise musst du dir um dieses Thema keinen Kopf machen, es läuft einfach.
Richtig nervig wird es, wenn deine Hardware streikt. Du benötigst für deinen Laptop dringendst eine neue, deutsche Tastatur oder einen neuen Lüfter? Viel Spaß in einem Land ohne Amazon und Postadresse. Letzten Dezember hatte ich eine ganze Woche Zwangspause. Und so etwas passiert natürlich immer dann, wenn doch mal dringende Aufgaben erledigt werden sollen.
Wo liegen die Herausforderung beim Arbeiten als Digitale Nomadin mit Vanoffice in dem Land, in dem du gerade bist?
Wir sind gerade in Portugal angekommen – und werden hier auch für einen längeren Zeitraum bleiben.
Aus gutem Grunde, denn gerade um sich phasenweise auf die Arbeit zu konzentrieren ist dieses Land einfach perfekt. Du kannst in völliger Abgeschiedenheit frei stehen, irgendwo in der Natur. Auf einem Hügel, an einem Stausee, auf den Klippen mit Blick auf den Atlantik. Normalerweise hast du schnelles und quasi unbegrenztes Internet und gutes Wetter. Super, um einfach mal eine Woche stehen zu bleiben, sich voll auf die Arbeit zu fokussieren.
Wie lange bist du im Schnitt an einem Ort?
Drei Nächte würde ich sagen.
Sicherlich gibt es Durchgangs-Übernachtungsplätze, die sind nicht so prickelnd. Auf Campingplätzen oder in Städten bleiben wir auch nur kurz, meist nur 1-2 Nächte. Dann zieht es uns wieder in die Natur, wo wir Ruhe haben und frei stehen können. Auf richtig guten Plätzen bleiben wir dann auch gerne eine Woche.
Hast du einen bestimmten Workflow entwickelt, der an jedem Ort gleich ist?
Laptop an, und los geht‘s :-)
Noch während der PC hochfährt weiß ich bereits was zu tun ist, sind die Emails ja bereits via Smartphone gecheckt. Ich entscheide meist spontan ob ich diesen Tag meinen eigenen Projekten widme, oder ob ich mich um Kundensachen kümmere. Worin bin ich heute besser, Webdesign oder Schreiben, SEO oder Flyer basteln? Im Idealfall mache ich das, was mir besser rein läuft. Was natürlich nicht immer funktioniert.
Generell arbeite ich ungern mehr als zwei Stunden am Stück. Dann wird Pause gemacht, die Hunde bespaßt, die Gegend zu Fuß erkundet, vor dem Wohnmobil gechillt, was gegessen …
So komme ich an einem Arbeitstag vielleicht auch mal auf 8 Stunden Arbeit, es fühlt sich jedoch nicht danach an. Kein Vergleich zu der Zeit, als ich noch „normal“ arbeiten gegangen bin, als Angestellte im Büro.
Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Arbeitsalltag gibt es nicht.
Wie ist das Wetter, was ist Dringendes zu tun, und habe ich überhaupt Lust zu arbeiten? Inzwischen genieße ich den Luxus mir selbst hitzefrei geben zu können. Manchmal arbeite ich überhaupt nicht, an anderen Tagen nur 2-3 Stunden, dann wieder 6-8 Stunden.
Dann wieder kommen mir beispielsweise beim Wandern neue Ideen, und die setze ich dann in einer Nacht- und Nebelaktion um. Manchmal schreibe ich magere 10 Minuten an einem Artikel, an anderen Tagen komme ich problemlos auf 3.000 Worte.
Das ist ja das Schöne daran: Arbeit ist kein Alltag. Und so macht mir meine Arbeit auch wieder Spaß. Das ist mir vor meiner Reise etwas verloren gegangen.
Wie sieht dein Arbeitsplatz aus?
Übergroßer Laptop (17,3“), Smartphone, übergroßes Gamingmauspad, Maus, Soundbox, Kaffeetasse. Mehr benötige ich nicht. Dinge wie Drucker und Scanner brauche ich nicht mehr, der Router liegt im Schrank.
Herzstück meines selbst ausgebauten Kastenwagens ist eine Eckbank. Die habe ich ganz bewusst so konzipiert, dass ich einen optimalen Arbeitsplatz habe. Es ist kein Zufall, dass ich beim Arbeiten einen schönen Ausblick habe – durch die geöffnete Schiebetüre kann mein Blick öfters mal über den Atlantik schweifen.
In diesen Momenten vergleichst du deinen jetzigen Arbeitsplatz mit den früheren und du weißt, es ist richtig.
Was wünscht du dir, was könnte besser oder anders sein in deinem Arbeitsalltag?
Ein Problem, das ganz unabhängig ist vom „Arbeiten unterwegs“: es kommen immer alle auf einmal.
Du nutzt gerade eine ruhigere Phase um Ideen für deine eigenen Projekte zusammen zu denken, und plötzlich stehen fünf Kunden gleichzeitig auf der Matte. Hinzu kommen dann auch noch extra Aktionen wie die Charity-Wohnmobil-Tombola, die ich gerade veranstalte.
Aber das war schon immer so. Nur ist so eine Situation unterwegs schwieriger, gerade wenn du nicht irgendwo für mehrere Tage stehst. Denn so ein Reisetag frisst doch Zeit, die dann woanders fehlt. Nächstes Ziel aussuchen, zusammenpacken, fahren, verfahren, ankommen, Gegend erkunden, auspacken – selbst wenn du nicht so weit fährst geht hierfür gerne ein halber Tag drauf.
Aber, jedes „Problem“ kann ja auch einen guten Anlass geben um sich weiter zu enwickeln. Und so ist auch meine Selbständigkeit gerade im Wandel. Habe ich mich früher an mein Geschäft angepasst, so habe ich heute die Möglichkeit – und auch das Bedürfnis – es anders herum zu machen.
Ich passe mein Business meinem neuen Lebensstil an.
Wie reagieren andere, wenn sie erfahren, dass du im Wohnmobil lebst und arbeitest?
Das ist sehr unterschiedlich. Als ich letztes Jahr los bin hatten gerade die Frauen in meinem Umfeld Sicherheitsbedenken. Männer hingegen fanden es überwiegend spannend und waren neugieriger. Aber wirklich Negatives habe ich kaum zu hören bekommen. Selbst meine Kunden haben durchweg positiv reagiert.
Heute, nach über einem Jahr, sind einige von ihnen darüber erstaunt, dass ich immer noch unterwegs bin – und auch nicht vorhabe, daran etwas zu ändern. Dass diese Rumreiserei nicht nur eine Phase ist, sondern zum Dauerzustand werden kann.
Wenn ich unterwegs Menschen kennenlerne werden einige kurz stutzig, versuchen es einzuordnen. Ist sie obdachlos? Ein Hippie? Lebt sie von der Hand in den Mund? Im ersten Moment können sie es sich nicht wirklich vorstellen. Sehen dann aber doch das Abenteuer und können die Freiheit erkennen, die sich da auftun kann..
Hast du Tipps für Menschen, die auch auf Rädern arbeiten wollen?
Über meinen Blog crosli.de haben viele Menschen Kontakt mit mir aufgenommen die auch das tun möchten was ich tue. Doch für die meisten bleibt es nur ein Traum. Weil sie sich nicht dranmachen ihn umzusetzen. Als sich in mir die Idee entwickelte einen Trip durch Europa zu machen hatte ich kaum Geld angespart. Also habe ich mich hingesetzt, einen Plan entwickelt, und diesen umgesetzt. Ein Jahr später hat mein Wohnmobilausbau begonnen, nach weiteren 5 Monaten war ich unterwegs.
Doch bei den meisten scheitert es bereits an der Idee wie man unterwegs Geld verdienen könnte. Und da muss ich sagen: womit ich heute mein Geld verdiene, das habe ich nicht gelernt oder studiert. Sondern mir selbst beigebracht. Und ich habe mein Geschäftskonzept so gestaltet, dass ich unabhängig bin. Jeder ist seines Glückes Schmied, aber man muss es auch machen, sich auf den Hosenboden setzen.
Weniger denken und träumen, einfach machen. Wie das aussehen kann, darüber habe ich erst einen längeren Artikel veröffentlicht: Über’s Aussteigen und Einsteigen: reisend und arbeitend im Wohnmobil leben
Dies war ein weiteres Interview aus der Reihe „Arbeiten auf Rädern“.
Wenn du noch mehr darüber erfahren möchtest –
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Und du?
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Hallo Steffi,
vielen Dank für Deine schönen Erfahrungen die Du mit uns teilst. Ich verfolge schon seit ca. 1 Jahr die digitalen Nomaden und lese alles was mir unter die Finger kommt und beneide Euch ein bischen. Ich würde auch gerne mehr Reisen und geografisch freier sein.
Ich habe mich immer wieder gefragt was für Ausbildungen und Berufe man als Digitaler Nomade haben muss um so Leben zu können?
Imer wieder lese ich von Leuten die stdiert haben also Webesigner, Reporter Programmierer, Werbetexter oder ähnlich.
habe jetzt auch angefangen Programmieren zu lernen um dann estmal als Freelancer zu starten und den 1. schritt in diese Richtung zu wagen.
Hast Du vielelicht Tipps was es sonst noch für Möglichkeiten gibt wenn man nicht den richtigen Beruf oder Wissen in dieser Richtung hat?
Ich fand Deinen Spruch echt „GOLDIG“ das in Deutschland die Gigabyte sich die Anbieter vergolden lassen. Ich bin leider noch in fester Anstellung bei einem Telekommunikationsanbieter und kann dies nur bestätigen. Viele ausländische Kunden rufen wegen Störungen an und teilen mir mit das selbst in ärmeren ländern die Internetleitungen wesentlich besser und stabiler laufen als in Germany.
Leider habe ich kuriose Arbeitszeiten und hoffe das ich mir das Interwiev live anschauen kann.
Freue mich schon auf Dein Interwiev
LG
Ivi
Hallo Ivi! Vielen Dankk für deine Worte. Wenn man nicht den richtigen Beruf oder Wissen hat… ich denke, dass man alles lernen kann, solange man mit Spaß dabei ist. Es gibt soviele Kurse, Onlinekurse, Weiterbildungen… Viel schwieriger ist es meistens herauszufinden, woran man Spaß hat, was einem wirklich liegt und welchen Beruf man denn zukünftig ausüben möchte. Wobei man mit etwas Phantasie wahrscheinlich jeden Beruf auch online ausüben kann. :)
Der Spruch ist wirklich klasse!
Über ausgedehnte Reisen mit meinem Womo bin ich leider noch nicht raus. Träumer halt ;-)
Sehr spannend! Da kann ich viele Parallelen erkennen… und bald bin ich auch in Portugal. Ich hoffe wir fahren uns dort mal über’n Weg, Tanja! :)
Liebe Mandy!
Ich würde mich freuen, wenn du bei der Interviewreihe dabei wärst!
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Steffi
*Meld* ;-)
Bin gerne dabei. Schickst du mir eine Email?
Liebe Grüße aus España!
Ich liebe den Spruch : „„Immer wenn der Mensch anfängt, seine Zukunft zu planen, fällt im Hintergrund das Schicksal vom Stuhl vor Lachen!“
Wilhelm Busch“