Hat jemand meinen Weg gesehen?

Hat jemand meinen Weg gesehen? Eben lag er noch vor mir.

Diese Worte las ich vor einigen Jahren am Schwarzen Brett auf der Fusion. Und beim Lesen wurde mir damals schlagartig klar, dass ich hier bisher eine falsche Annahme über das Leben hatte.

Vor ein paar Tagen habe ich die Worte getweetet. Jemand schrieb einen Kommentar: „Wie löst du dieses Problem?“

Interessant. Denn für mich ist das gar kein Problem.

Im Gegenteil.

Hat jemand meinen Weg gesehen? Eben lag er noch vor mir...

Muss es einen Weg geben? Ist das, was wir im Leben machen, einen Weg zu gehen?

Das würde bedeuten, das Leben verliefe linear.

Im Rückblick sieht es vielleicht oft so aus: Bestimmte Ereignisse, Handlungen und Entscheidungen haben uns scheinbar an diesen Punkt auf dem Weg gebracht, an dem wir uns jetzt befinden.

Beim Blick in die Zukunft „verlängern“ wir einfach diesen Weg.

Aber kann man überhaupt in die Zukunft blicken? Ist es nicht eher spekulieren, fantasieren, träumen?

Aber ja, für mich hat es sich – bis ich die Worte am Schwarzen Brett las – auch so angefühlt, als gäbe es da einen Weg. Meinen Weg. Einen Weg der klar vor mir liegt.

Aber

nur weil ich ihn mir vorstellte.

Ausmalte.

Ein Weg, der klar umrissen war: Von Aufgaben. Pflichten. Wünschen.

Jeder Tag ist irgendwie strukturiert. Ganz vereinfacht: Morgens aufstehen, arbeiten, danach Hausarbeit, Hobbys am Abend, Freunde treffen, auf dem Sofa liegen, schlafen gehen.

Ereignisse bringen Abwechslung: Wir verlieben uns. Vielleicht bekommen wir Kinder. Einen Hund. Das Auto geht kaputt. Wir fahren in den Urlaub. Machen Karriere. So oder so ähnlich. Bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger.

Wenn man diese Tage dann aneinander reiht, entsteht der Eindruck, als würden diese Abläufe einen Weg pflastern. Der uns aus der Vergangenheit weiter in die Zukunft trägt.

Ähnlich. Vorstellbar. Vorhersehbar.

Das ist viel eher ein Problem.

Weil wir daran festhalten. Denken, dass es einfach immer so weiter geht.

Leben ist keine Straße sondern ein Zustand

Aber wenn wir mal genau hinsehen, dann gibt es diesen Weg eigentlich gar nicht. Wir haben ihn uns nur vorgestellt. Und wir haben ein Problem, wenn sich die Dinge dann plötzlich doch nicht so entwickeln, wie gedacht. Und das tun sie meistens nicht. Und wir sind darauf nicht vorbereitet. Können wir auch gar nicht sein.

Lange Zeit habe ich an diesen Weg geglaubt. Denn er gibt Halt und Sicherheit. Er vermittelt ein Gefühl von Kontrolle. Kontrolle über das Leben.

Aber haben wir wirklich die Kontrolle darüber, was gleich, heute Abend, oder gar morgen alles passieren wird? Nein.

Ich bin dankbar dafür, dass es da keinen Weg mehr gibt, der vor mir liegt. Dass es ihn nie gegeben hat.

Es macht mich frei.

Offen für das was ist.

Ich bin gespannt, wie deine Meinung dazu ist!

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Kommentare zum Beitrag

20 Gedanken zu „Hat jemand meinen Weg gesehen?“

  1. Stufen

    Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
    dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe
    blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
    zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern
    es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
    bereit zum Abschied sein und Neubeginne
    um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
    in andre, neue Bindungen zu geben
    und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne
    der uns beschützt und der uns hilft zu leben
    wir wollen heiter Raum um Raum durchschreiten
    an keinem wie an einer Heimat hängen
    der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen
    er will Stuf‘ um Stuf‘ uns heben, weiten
    kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
    und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen
    nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise
    mag lähmender Gewöhnung sich entraffen
    Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
    uns neuen Räumen jung entgegensenden
    des Lebens Ruf an uns wird niemals enden
    Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde.
    – Hermann Hesse, Das Glasperlenspiel

    Meine Lieben, auch wenn man mit der Hamstermühle des Alltags von Millionen unzufrieden war und in einen alten Laster steigt, ist man zufrieden, dass man unzufrieden ist. Auch der alte Laster ist ein Ding aus dem Hamsterrad und wahrscheinlich konnten ihn diese, die ihn erbaut hatten, nicht so entspannt nutzen. Man braucht immer Geld dazu, was erwirtschaftet werden muss. Es sei Euch von Herzen gegönnt. Wirklich!
    Bitte nicht falsch verstehen, auch ich bin mit meiner Frau zu jeder Gelegenheit mit Pickup und Wohnkabine on the Road. Ich wollte nur einige Gedanken hinzufügen. Aber Hermann Hesse konnte das besser.
    Habt ein lebensfrohes 2018, aber das ist heute noch Morgen. Zukunft.
    Herzliche Grüße aus Süddeutschland

    Antworten
    • Vielen Dank!

      Dieses Gedicht von Herrmann Hesse ist das schönste, das ich kenne, was von Abschied und Neuanfang, vom Loslassen und dem Leben im Jetzt handelt. Besser kann man es tatsächlich gar nicht ausdrücken.

      Immer wieder zu prüfen und jeden Tag neu anzufangen, wenn nicht in jedem Moment. Das kein Tag, kein Augenblick dem anderen gleicht, immer ist alles neu.

      So etwas wie das Hamsterrad kann es deshalb gar nicht geben. Es sind nur unsere Gedanken, die das Erlebte so bewerten. Um das s. g. Hamsterrad geht es in diesem Artikel auch gar nicht – interessant, dass du ihn so interpretierst.

      Also nochmals vielen Dank :)

      Antworten
      • Liebe Steffi,

        ich musste schmunzeln, als ich eben Deine Antwort las. Vielen Dank erstmal.

        Dennoch, ich habe wörtlich geschrieben, dass ich nur einige Gedanken hinzufügen wollte. Interpretiert habe ich nichts. Es ist wohl immer so, dass anscheinend nicht wahr ist, was „A“ sagt, sondern was „B“ auffasst. Deine Gedanken sind „Ist“, da gibt es für mich nichts zu interpretieren. Ich fand sie schön, habe darüber nachgedacht und nur eigene hinzugefügt. Das schöne Hesse Gedicht war die Brücke, auf der wir uns getroffen haben. Auf jeder Brücke gibt es dann zwei Richtungen. In welche man geht, ist individuelle Entscheidung.

        Ich finde es schön, welchen Weg Ihr gewählt habt und Deine Gedanken zeigen die Tiefe der Entscheidung auf, die himmelweit über das Wischdisplay eines Smartphones hinausgehen.

        Habt eine lebensfrohe, spannende Zeit und weiter solche schönen, tiefen Gedanken. Tut gut, solche Menschen. Wir sollten mehr davon haben…

        Herzliche Grüsse

        Antworten
  2. Finde es schon hilfreich, sich hin und wieder Ziele zu stecken, oder Utopien zu entwickeln. Daher halte ich es persönlich eher mit einem Spruch aus dem Koran: „Wenn man das Ziel nicht kennt, ist kein Weg der richtige.“

    In diesem Sinne allen einen guten Jahreswechsel.

    Antworten
  3. Ich tue mich mit den Extremen schwer. Ich mag weder mein Leben haarklein auf Jahre im Voraus festtackern, noch mich Tag für Tag zum Spielball der Umstände machen.

    Und ja, es ist wichtig das hier und jetzt zu leben und zu genießen.
    Allerdings ist es unsere Vergangenheit, die uns zu dem gemacht hat was wir sind. Es ist also gut hin und wieder zurück zu blicken und zu reflektieren.
    Und die Zukunft ist das Hier und Jetzt von morgen. Es ist daher klug heute die Weichen so zu stellen, dass ich es morgen auch gut habe.

    Antworten
    • Lieber Reinsch!

      Dass es keinen Weg gibt, bedeutet nicht, ein Spielball der Umstände zu sein. Jedenfalls fühlt es sich für mich nicht so an.

      Es ist nicht nur wichtig im Jetzt zu leben – es gibt gar nichts anderes. Wir Menschen können nicht an mehreren Orten oder zu mehreren Zeiten gleichzeitig sein. Selbst wenn Zeitreisen möglich wären, dann würden wir auch am Reiseziel wieder eine Gegenwart erleben.

      So ist doch die Gegenwart die einzige Zeit die erlebt werden kann. Vergangenheit und Zukunft finden nur in den Gedanen statt.

      Gedanken machen ich mir natürlich auch. Aber ich lebe nicht in den Gedanken. Und ich denke, dass nicht die Vergangenheit uns zu dem gemacht hat, wer wir sind. Sondern unserere Interpretation der Erlebnisse, die wir machen oder gemacht haben.

      Und ja, nur jetzt und heute ist es möglich dafür zu sorgen, dass wir es im nächsten Moment, am nächsten Tag, im nächsten Jahr gut haben werden. Aber das, was wir dafür tun, tun wir jetzt. Für eine unbekannte Zukunft.

      :) Vielen Dank für deine Worte – wie immer sehr anregend für mich

      Antworten
      • Jetzt wird es aber spitzfindig/philosophisch. Willst du dich darauf wirklich mit einem Halbjuristen einlassen? ;)

        Klar leben wir letztendlich alle hier, und auch jetzt. Aber das ist es ja nicht, was mit diesem „Lebe nur im Hier und Jetzt“ Sprüchlein gemeint ist. Da geht es ja irgendwie immer darum, Vergangenheit und Zukunft komplett aus dem Kopf zu verbannen.
        Und während ich definitiv zustimme, öfter mal inne zu halten und den Augenblick zu genießen halte ich es für unklug, das zum erstrebenswerten Dauerzustand zu erklären.

        Ich denke durchaus, dass uns das Leben formt, also unsere Vergangenheit. Erlebnisse die wir haben und die Emotionen die wir dadurch erlebt haben lenken unsere zukünftigen Entscheidungen.
        Und viel rationaler: Die in der Vergangenheit getroffenen Entscheidungen beeinflussen maßgeblich unser Leben von heute. Nicht umsonst heißt es „Dein Leben von heute ist die Summe deiner Entscheidungen von gestern.“

        Daher sollte man sich regelmäßig Zeit nehmen und einmal zurück blicken. Was ist so passiert in letzter Zeit? Warum ist das so passiert? Was kann ich daraus für die Zukunft lernen?

        Dabei geht es auf keinen Fall darum, sich nur noch in eine rosa Nostalgieblase zurückzuziehen. Oder sich ewig im Selbstmitleid wegen (vermeintlich) verpasster Gelegenheiten zu suhlen. Oder nach Schuldigen und Rechtfertigungen für alles Unangenehme zu suchen.

        Sondern einfach um einen nüchternen Rückblick, um aus den vergangenen Ereignissen zu lernen.

        Ähnlich mit dem Blick in die Zukunft. Natürlich kann ich nie alles planen, was diese so für mich bereit halten kann. Es wird immer Ereignisse geben auf die ich spontan reagieren muss.
        Aber gar nicht zu planen ist da ja auch keine Lösungen. Gewisse Konsequenzen werde ich aus meinen Entscheidungen haben, auch wenn ich sie heute ausblende.
        Werde ich ab morgen aufhören mich sportlich zu betätigen und nur noch Junk in mich hineinfuttern steht es um meine Gesundheit bald sicher weniger gut. Beschließe ich morgen einfach nicht mehr zur Arbeit zu gehen habe ich bald einen Brief von meinem Chef im Kasten, dass ich nun gar nicht mehr kommen muss. Kümmere ich mich dann nicht um neue Einnahmen werden meine Ersparnisse bald weg sein…

        Ein Pilot z.B. fliegt ja auch auf Sicht und muss auf aktuelle Gegebenheiten schnell und spontan reagieren. Die Flugroute hat er aber im Vorfeld doch schon mal durchgeplant.

        Und auch ihr habt doch sicher nicht von heute auf morgen das Büro gegen den Laster getauscht, sondern im Vorfeld gründlich zusammengesessen: „Was wollen wir? Was brauchen wir dafür? Und wie bekommen wir das hin?“

        Uff, ganz schön lang geworden nun, sorry. Ich glaube Buddha (zumindest wird es ihm zugeschrieben) hatte mal sinngemäß gesagt: „Die zwei Extreme sind nicht gut – sich zu viele und zu wenig Gedanken zu machen.“

        Das trifft eigentlich ganz gut was ich sagen wollte.

        Antworten
        • Hallo Reinsch!

          So wie ich dich verstehe, hast du eine andere Auffassung davon, was es heißt im „Hier und Jetzt“ zu leben als ich. Für mich ist es nicht nur ein Spruch. Beim Leben im Jetzt geht es für mich darum zu spüren, was ist. Alles, nicht nur das angenehme. Es hat nichts mit innehalten und genießen zu tun. Es bedeutet für mich auch nicht, dass ich nichts mehr plane oder mich nicht erinnere. Oder dass ich mich allen plötzlich auftauchenden Gelüsten und Impulsen hingebe. Dass es keinen Weg gibt, heißt nicht, dass ich mich nicht bewege. Und natürlich gibt es Ursache und Wirkung. Entscheidungen und Konsequenzen. Keinen Weg zu gehen ist für mich eben genau die Mitte zwischen den Extremen.

          :)

          Antworten
  4. Hallo da draussen. Ich kann allen vorrednern nur zustimmen. Manchmal braucht es einen kleinen Anstoß um seinen eingetretenen Pfad zu verlassen. Bei mir war es der Anstoß zu einem minimalistischen lebensweg.

    Wenn man wie Steffi und olaf, einmal aus der Tretmühle raus ist, gehts auch ohne vorgeplanten Lebensweg.

    In diesem Blog sind schöne Dokumentationen zum Thema ‚Minimalismus‘ verlinkt.
    Auch Diese doku kann ich sehr empfehlen: https://youtu.be/ER4w6k0wRPA

    LG
    vom anderen olaf

    Antworten
  5. Danke für den tollen Denkanstoß.
    Die Freiheit beginnt, wenn man Zwänge und Ängste loslassen kann. Das fällt dem einen leichter, dem anderen schwerer.
    Nach Sicherheit zu streben ist vielen in die Wiege gelegt. Auch ich tue mich oftmals schwer etwas ohne Absicherung zu tun. Dabei ist es nur fiktiv, denn an der Zukunft kann man selber nichts ändern. Als geistig fit denkender Mensch, kann man aber auch ohne lange zu grübeln und schwarzmalerei sein Handeln so einschätzen, ohne das es im Fiasko endet.
    Einen „Weg“ der Vergangenheit sehe ich aber schon, wenn man zurück blickt. Und dort sieht es meist so aus, dass eine Planung fast unmöglich war. Denn Wünsche immateriellen Gutes erfüllen sich so selten.

    Antworten
  6. Sehr schön in Worte gefasst.
    Ich hab zwar ein reichlich strukturiertes Leben, mit Beruf, Berufung, Haus und Garten, aber ich möchte beweglich im Geist bleiben.
    Wenn etwas nicht so läuft wie geplant, kommt etwas anderes.
    Und dem sehe ich stets erwartungsvoll entgegen, freue mich über Alternativen.
    Und eigentlich bedeutet es ganz einfach jetzt zu leben.

    Antworten
  7. … Könnte ein abendfüllendes Diskussionsthema auf Antaris sein. … Und vielleicht ist da doch ein Weg. Keinen, den man sieht, der sich aber trotzdem vor einem ausbreitet. Einer der sich einfacher geht als andere. Wichtig ist, dass man erkennt, dass er nicht geradlinig ist, dass man um die Ecken schaut und die Abzweigungen nicht verpasst.

    Antworten
  8. mal ein Moin Moin an Euch,
    ich bin ja nicht so der Kommentar Schreiber aber das war ein sehr schöner Eintrag.

    Ich schließe mich zu 100% an. Es gibt keinen Weg den man im Voraus sehen kann und der Weg der hinter einem liegt, ist vergangen. Da kann man nur noch drüber sinnieren.

    Was zählt und was sichtbar ist, ist das jetzt und hier.

    Vor vielen Jahren hatte ich einen psychischen Zusammenbruch, an dem ich bis heute knabbere.
    Dann ging es etwas besser und bin eines morgens mit knapp 47 mit einem Schlaganfall aufgewacht.
    Das hätte auch ein Unfall oder sonstiges sein können.

    Im Prinzip kann man sich überlegen, wie man zur nächsten Kuppe, Baum, Strauch o.ä. kommt. Das war es aber auch schon.

    Seit meinem Schlaganfall ist alles was über die nächsten 12-max. 24 Stunden hinaus geht nicht interessant. Da kann soviel dazwischen kommen.

    Ich lebe eigentlich nur im Moment und halte das für das sinnvollste. Der weg ist quasi der nächste Schritt. :-)

    Macht Euch nicht selbst verrückt…. das Leben ist verrückt genug.

    Antworten

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