Im 2. Teil unserer Radreise von Istanbul nach Bremen radeln wir 7 Tage durch Bulgarien. Wir kommen gerade aus der Türkei und weiter geht es nach Rumänien.
Bulgarien: Kirchen statt Moscheen
64 km über Malko Tenove
Bei strahlend blauen Himmel machen wir uns auf den Weg in Richtung bulgarische Grenze. Ziemlich kalt ist es immer noch und wir schwitzen trotzdem, denn die 40 km bis zur Grenze geht es überwiegend bergauf. Verkehr gibt es jetzt kaum noch. Die Ausreise aus der Türkei geht schnell über die Bühne.
Die Bulgaren lassen sich etwas mehr Zeit und tragen sogar unsere Räder in den Pass ein. Alles in allem dauert der Spaß knapp eine Stunde und wir sind froh, dass wir unsere Taschen nicht auspacken müssen, wie die meisten anderen Kunden, die mit dem Bus kamen. Leider bleiben wir auf unseren restlichen türkischen Lira sitzen, denn die will uns hier keiner in bulgarische Lewa wechseln. Auch als wir mit thailändischen Baht winken, hat man nur ein müdes Lächeln für uns übrig. So greifen wir auf den allseits beliebten Euro zurück.
Und dann öffnet sich vor uns die Schranke und wir treten hinaus und sind in Bulgarien. Hier sieht es aus wie in der Türkei, außer dass hier noch mehr Schnee liegt, die Straße schlechter ist und sogar teilweise vereist. Da kann man noch nicht einmal die Abfahrt genießen.
Im ersten Ort zeigt sich dann der erst Unterschied: Keine Moschee sondern eine Kirche überragt die Häuser und die Straßenschilder sind nun komplett gar nicht mehr zu lesen (kyrillisch). Als wir etwas orientierungslos unseres Weges radeln, quatschen uns zwei, von uns anhand ihrer Kleidung und ihres ungepflegten Äußeren, eindeutig als sozial schwächere Mitglieder der bulgarischen Gesellschaft identifizierte Gestalten, von der Seite auf Bulgarisch an. Langes hin und her, bis sich herausstellt, das ist gar kein Bulgarisch. Die beiden sind taubstumm, können nur: mhmmmmhmm. Und wollen uns darauf aufmerksam machen, dass, wenn wir zum schwimmen ans Meer wollen, wir auf dem falschen Weg sind.
Wir bedanken uns optisch, ziehen es aber vor, noch eine zweite Meinung einzuholen. Dieses Mal mehr Erfolg. Man ist Naturschützer, mit dem Fernglas auf der Jagd nach Störchen, der deutschen Sprache mächtig und Besitzer einer bulgarischen Straßenkarte. So erfahren wir, dass es zwei Straßen gibt nach Burgas. Eine flache kurze und eine lange durch das Gebirge. Zum Abschied bekommen wir noch eine Visitenkarte vom Nature Conservation Center und eine Einladung dort, in Burgas, zum Zelten vorbeizukommen.
In geistiger Umnachtung entscheiden wir uns anschließend für den Weg durch die Berge und radeln an den irritierten „MhMHM“-Jungs von eben vorbei in die vermeintlich falsche Richtung. So geht es nach der ersten Kurve dann auch gleich weiter mit dem heiteren bergauf kriechen. Da wir noch genug von den türkischen Bergen haben, versuchen wir schon bald einen Zeltplatz zu finden, was sich als schwierig gestaltet. Entweder es ist sehr schief oder verdammt schlammig. Schließlich begnügen wir uns mit einem Platz dritter Wahl, der nur etwas schief und etwas schlammig ist, mitten im Wald und stellen unser Zelt in den Schnee.
Radreise Bulgarien: Hotel Bulgaria – 97 km nach Burgas
Wie in der Nacht schon vermutet, müssen wir am Morgen feststellen, dass Steffis Isomatte lange nicht so gut ist wie die alte. Als wir das Zelt abgebaut haben, ist dort, wo Steffi lag, der Waldboden zu sehen, während auf Olafs Seite immer noch unverändert der Schnee liegt. Ansonsten war die Nacht fast schon gespenstisch still. Man hat gar nichts gehört, noch nicht einmal Hunde in der Ferne. Das hatten wir noch nie.
Dann geht es erst mal wieder bergauf. Fast 50 km.
Autos fahren hier oben fast gar nicht mehr und überhaupt gibt es hier nur Bäume, Schnee und uns. Ach ja, und einen Fuchs haben wir gesehen. Die meisten Ortschaften sieht man von der Hauptstraße gar nicht und die zwei, durch die wir fahren, wirken wie ausgestorben, man sieht keine Menschenseele.
Leider sind wir trotz der wenigen Möglichkeiten überhaupt irgendwo abzubiegen, irgendwann mal falsch gefahren, so dass wir die Straße am Meer, die wir eigentlich fahren wollten, erst kurz vor Burgas erreichen. Auch das Naturschutzzentrum, wo wir eigentlich zelten wollen, finden wir nicht. So erreichen wir am späten Nachmittag Burgas, zum Weiterfahren zu spät, Hotelsuche schwierig.
Obwohl überall Schilder hängen, sind diese schwer zu finden und unter 30 Euro finden wir keins. Als wir am Ende im Hotel Bulgaria fragen, erhalten wir hier einen Sonderpreis, weil wir den Manager kennen (den lernten wir kennen, als wir mit unseren vollbepackten Rädern ratlos vor der Tür standen).
So wohnen wir zum halben Preis, bekommen die heißeste Dusche seit wir Deutschland verlassen haben, ein heißes Bad, Frühstücksbüfett, können im Hotelpool schwimmen gehen und haben sogar deutsches Fernsehen, so dass wir um 24 Uhr 15 Ortszeit die Harald-Schmidt-Show sehen können.
Das Hotel liegt direkt im Zentrum und abends machen wir noch einen Gang durch die Fußgängerzone. Es gibt hier viele gemütliche Kneipen und Bistros und auffallend viele junge Leute sind unterwegs.
Radeln im Balkangebirge – 41 km wieder raus aus Burgas
Wenn wir schon viel Geld für ein Hotel ausgeben müssen, dann nutzen wir das selbstverständlich auch bis zum bitteren Ende aus, liegen lange im Bett, gucken Fernsehen, duschen lange und heiß und futtern uns ausgiebig durch das Frühstücksbüfett. Doch leider ist um 12 Uhr Check-Out-Time und der Spaß hat ein Ende, so dass wir es nicht mehr schaffen, auch noch kurz in den Pool zu springen.
Da die Vergangenheit gezeigt hat, dass die Versorgungslage auf dem Land hier nicht gerade üppig ist, gehen wir noch im Supermarkt einkaufen und sind begeistert und überrascht. Das Warenangebot steht dem deutschen in nichts nach.
An einer Tankstelle finden wir dann sogar noch eine vernünftige Straßenkarte. Der Vorteil dieser Karte ist, das sie zu den kyrillischen Straßenschildern passt. Der Nachteil ist, dass wir nicht nach dem Weg fragen können, weil wir sie nicht lesen können. Dafür ist die Karte relativ genau, weist viele Nebenstrecken aus und hat viele Kilometerangaben, die, wie wir später feststellen, sehr wichtig sind, weil Straßenschilder hier recht selten sind und wir so nach Tacho fahren können.
So ausgerüstet und mit vollen Taschen geht es los.
Der Nachmittag geht recht schnell vorbei und wir erklimmen die letzten Ausläufer des Balkangebirges (390 Meter).
Radreise Bulgarien: Durch leergefegte Dörfer – 87 km
Man kann fast im T-Shirt fahren!
Die meiste Zeit des Tages scheint die Sonne und wir haben herrlichstes Frühlingswetter. Ein Großteil des Tages fahren wir über kleine und wenig befahrene Nebenstraßen und eine Handvoll Dörfer. Die Leute hier sind allerdings nicht mehr so locker wie z. B. in der Türkei, die Kinder winken nicht und die Älteren wirken alle ein wenig steif. Auch hier sind die Dörfer wie leer gefegt und es herrscht eine Totenstille. Man hört noch nicht einmal Musik. Nur gelegentlich sitzen Leute vor dem Dorfladen zusammen. Autos scheinen hier nicht so beliebt zu sein und fahren relativ selten.
Dafür erfreut sich der Eselkarren einer recht großen Beliebtheit und wer es sich leisten kann, der hat sogar ein richtiges Pferd vor seinem Wagen.
Radreise Bulgarien: Dauerregen und Wildschweinattacken – 69 km
Unser größter Fehler heute war, dass wir überhaupt aufgestanden sind. Seit der Morgendämmerung hat es hin und wieder einen kurzen Schauer gegeben und ein bisschen getröpfelt. Nach dem Zusammenpacken hält der kurze Schauer über sieben Stunden an. Da wir nach kurzer Zeit eh nass sind und radeln wenigstens warm macht, ziehen wir die Sache durch und fahren weiter.
Gegen 16 Uhr gönnen wir uns eine warme Mahlzeit und jede Menge heißen Tee an einer der seltenen Raststätten entlang der Straßen. Als wir das Lokal verlassen, hat es aufgehört zu regnen. Dafür gibt es jetzt Wind von vorne, der den Vorteil hat, dass unsere Sachen bis zum Abend getrocknet sind.
Im Großen und Ganzen ist es hier sehr schön zum Radfahren, wenn doch nur das Wetter besser wäre…
Die Zeltplatzsuche am Abend gestaltet sich als sehr schwierig, da die Landschaft im Morast versinkt und unter Wasser steht. Als wir dann kurz vor Einbruch der Dunkelheit doch noch einen Platz finden, bricht uns beim Zeltaufbau eine Stange. Das ist schlecht.
Nachdem das Zelt dann endlich steht, grunzt es im Dickicht um uns herum.
Grunzen wird lauter.
Und plötzlich laufen einige Wildschweine in ca. 15 Meter Entfernung an uns vorbei, so dass wir den Rest des Abends irgendwie unentspannt in unseren Schlafsäcken liegen und uns fragen, wie gefährlich können Wildschweine für den Camper sein…
Gluecklischerweise übertönt das Geräusch des wiedereinsetzenden Regens das Grunzen um uns herum, so dass wir irgendwann doch unseren wohlverdienten Schlaf finden.
Radreise Bulgarien: Wir denken an zu Hause – 50 km
Die erwartete Wildschweinattacke in der Nacht blieb aus.
Wahrscheinlich war den Jungs das Wetter zu mies.
Morgens hat es irgendwann aufgehört zu regnen, dafür gibt es wieder mal Wind von vorne. Wir haben langsam das Gefühl, dass die beiden sich abzuwechseln scheinen. Wir kommen heute nur sehr langsam voran und fahren einen Umweg. Das mit der Orientierung ist hier nicht so einfach. An vielen Kreuzungen und Abzweigungen stehen keine Schilder oder sie sind so verrostet, dass man noch nicht einmal erahnen kann, was draufsteht.
Ein vermeintlicher Campingplatz, den wir am Nachmittag ansteuern, entpuppt sich als nicht mehr existent. So fahren wir noch ein Stückchen weiter und suchen uns unseren eigenen Zeltplatz. Heute mal etwas zeitiger, weil wir beide nicht so richtig motiviert sind und die letzten anstrengenden Tage in den Beinen zu spüren sind. Gegen Abend gibt es dann noch mal ein bisschen Sonne.
Mittlerweile stellen wir fest, dass wir beide immer öfter an zu Hause denken und es langsam immer schwieriger wird, ständig unterwegs zu sein und nie irgendwo anzukommen.
Radreise Bulgarien: Bei Iva und ihrer Familie – 39 km nach Ruse
Heute trennt uns nur noch eine halbe Tagesetappe von der rumänischen Grenze. Aber so einfach soll es dann nicht werden, denn ca. 7 km vor der Grenzstadt Ruse Zwangsstop durch Plattfuß.
Dieses Mal Ventil abgerissen. Ratet mal wo!
Also Ersatzschlauch rein und weiter geht’s.
Mittags kommen wir in Ruse an und machen uns auf die Suche nach einem Hotel. Geben aber nach dem vierten Haus, in dem wir fragen auf, weil wegen zu teuer. So beschließen wir schon heute nach Rumänien weiterzufahren. Vorher wollen wir aber noch einige Mails nach Hause schicken. Der zweite, den wir fragen, nimmt uns an die Hand und führt uns durch die halbe Innenstadt bis direkt vor die Tür.
Dort hält plötzlich ein Auto mit deutschem Nummernschild neben uns. Die Fahrerin (Bulgarin) freut sich ganz doll, Deutsche zu treffen, und wir haben eine Einladung zum Kaffeetrinken. Wir verschieben das E-Mail schreiben.
Als wir von unserem Hotelproblem erzählen, löst sich das auch in wenigen Minuten und ein Schlafplatz für uns bei der Freundin ihrer Mutter, wo sie selbst und ihr Sohn auch gerade wohnen, ist schnell gefunden.
Auf dem Weg dorthin meldet sich einer unserer Reifen mit einem lauten Pfff…
Also laden wir unsere Sachen in das Auto unserer Gastgeberin und legen die letzten Kilometer mit dem Auto zurück.
Und so beziehen wir Quartier in einer der Mehrfamilienhaussiedlungen etwas abseits des Zentrums. Die Gegend hat schon bessere Zeiten gesehen. Auf den Hinterhöfen liegt viel Müll herum und auf den Straßen rosten die Autos vor sich hin. Nun sind wir zu Gast bei Vesi und ihrem Mann Nikolai, die das Esszimmer für uns räumen. Durch die Dreizimmerwohnung weht der Hauch der Nostalgie und man fühlt sich zurückversetzt in die späten 70er.
Wir wurden herzlich aufgenommen, mit Essen und Trinken und deutschem Fernsehen bewirtet und haben uns von der ersten Minute an recht wohl gefühlt.
Wir wohnen im Esszimmer, Vesi und Nikolai (beide zwischen 50 und 60) schlafen im Wohnzimmer auf dem Klappsofa und Iva (30) und ihr Sohn Christian (12 Jahre, spricht sehr gut deutsch) haben das dritte Zimmer für sich.
Nach dem Ausschlafen und sehr leckerem, ausgedehntem Frühstück fahren wir mit Iva in die Stadt. Sie geht arbeiten und wir gucken uns die Stadt an, gehen amerikanisch essen, hängen im Internetcafe rum und decken uns mit weiteren 28″ Ersatzschläuchen ein.
Wir erwerben ein russisches, ein tschechisches und ein chinesisches Modell, da wir in Sachen Rumänien und Ersatzteile skeptisch sind. Nachmittags fahren wir zum Großeinkauf in die Metro (wie in Deutschland) und bestehen darauf, das Abendessen zu bezahlen.
Ruse hat eine recht gemütliche Innenstadt mit großer Fußgängerzone. Wie in Burgas gibt es viele nette Kneipen und Cafes und da die Sonne scheint, kann man vielerorts draußen sitzen. In den Seitenstraßen gibt es viele alte Häuser und die ganze Stadt macht einen recht freundlichen Eindruck.
Beim gemeinsamen Abendessen reagiert man mit Unverständnis auf unseren Wunsch, morgen weiterzufahren, und versucht uns zu überreden, noch ein wenig zu bleiben. Die Angebote reichen von ein paar Tagen bis zu zwei Monaten. Keiner kann verstehen, dass wir tatsächlich den ganzen langen Weg bis nach Deutschland mit dem Fahrrad zurücklegen wollen. Wir sollten doch lieber noch bleiben und dann mit dem Zug fahren.
Radreise Bulgarien: Über die Donau nach Rumänien – 77 km über Ghimpati (Rumänien)
Zum Frühstück gab es noch ein paar Reisewarnungen und man versucht uns durch mästen fahruntüchtig zu machen, denn man ist immer noch der Meinung, dass wir noch ein paar Tage bleiben sollten.
Trotz allem brechen wir auf und Iva begleitet uns am späten Vormittag zur Grenze.
Keine Angst vor Bulgarien – Unser Fazit
Von vornherein hatten wir einen schlechten Start in Bulgarien. Viele Leute haben uns gewarnt und uns Angst vor diesem Land gemacht. So fuhren wir die meiste Zeit mit einem unguten Gefühl im Magen umher, sahen in jedem Menschen einen potentiellen Räuber und haben Verstecke statt Zeltplätze gesucht.
Sicher waren diese Ratschläge gut gemeint, jedoch haben sie uns dann doch ungemein belastet. So „vorbelastet“ haben wir uns oft gefragt, was passieren muss, um dieses ungute Gefühl wieder los zu werden. So etwas wirkt sich ungemein auf die Stimmung und die Motivation aus und es fällt schwer, sich unbefangen auf die Menschen hier einzulassen.
Unsere Erfahrungen mit Land und Leuten waren ausschließlich positiv!
Leider war Bulgarien nach 7 Tagen schon wieder zuende und vielleicht waren wir nicht das letzte Mal hier. Weiter geht´s in Rumänien.