Wie es war und wie es weitergeht

Ein Stück fliegen wir, nämlich bis nach Istanbul, das ja bekanntlich in der Türkei liegt. Von dort fahren wir mit dem Rad nach Hause zurück!

174 Tage weg von zu Hause

07.10.2002 – 31.03.2003

In Thailand sind wir 3.500 km mit dem Fahrrad gefahren.

Eigentlich hätte es ein bisschen mehr sein sollen, aber für uns stand auch von vornherein fest, dass wir uns nicht hetzen wollen.
Zurückgeworfen haben uns unsere gesundheitlichen und technischen Schwierigkeiten und die verlängerten Aufenthalte an Orten, an denen es uns gut gefallen hat.

Im Nachhinein waren auch unsere Zwangspausen nicht sooo schlimm, da wir hierbei nette und hilfsbereite Leute kennen gelernt haben und am Schluss dann doch alles wieder gut geworden ist.

Durch diese ganzen Unterbrechungen sind wir leider am Anfang nicht so richtig vom Fleck gekommen. Auch mussten wir feststellen, dass sich Körper und Geist erst an einen langen Tag im Sattel gewöhnen müssen.

So war dann der Februar mit 1.353 km an 23 Tagen unser bester Monat und es machte keine Schwierigkeiten mehr, mal 100 km am Tag zu fahren.

Auch der Tagesablauf will erst mal geübt sein. Das heißt z. B. , eine sinnvolle Planung der Pausen oder auch einfach nur anhand der Karte zu überlegen, wo die Chance auf einen ruhigen Übernachtungsplatz am größten ist.

Auch Dinge wie Zeltauf- und Abbau, Sachen packen, muss man üben. So haben wir am Anfang fürs Abbauen und Packen oft weit über eine Stunde gebraucht. Am Ende sind wir locker mit teilweise unter einer halben Stunde hingekommen.

Auch bei der Wahl des Zeltplatzes haben wir uns anfangs schwer getan und waren sehr wählerisch, immer sehr bedacht darauf, ungestört zu sein. Das hat abends oft viel Zeit und, wenn es bereits dunkel wird, auch Nerven gekostet. Aber auch dabei wird man irgendwann ein wenig entspannter, zumal es sehr schwer ist, hier einen absolut ungestörten Platz zu finden. Irgendwer sitzt hier immer hinterm Busch, treibt morgens oder abends seine Rinder vorbei, oder ein einsamer Waldweg entpuppt sich abends als vielbefahrene Ortszufahrt. Ärger hat es nie gegeben. Eher im Gegenteil. Hirten winken freundlich herüber oder Motorradfahrer halten amüsiert an, grüßen freundlich und fahren lachend weiter.

Die Versorgungslage, auch auf dem Land, war fast immer super. Nur selten mussten wir unsere Notration mitgeführter Kekse zum Frühstück essen, oder sind hungrig ins Bett gegangen. Unseren Kocher haben wir schon fast am Anfang bei Harry gelassen und haben ihn auch nie vermisst. So wie unsere „Fahrleistung“ mit der Zeit immer besser wurde, so gingen unsere Lebenshaltungskosten immer weiter zurück, je länger wir unterwegs waren. Und dass, obwohl wir nie das Gefühl hatten, auf etwas zu verzichten. Etwas teurer waren immer die größeren Orte, da kam dann meist ein Hotel dazu und wir haben viel Geld in Kuchen oder Ähnliches, das es auf dem Land nicht gibt, investiert. Richtig teuer waren immer die Orte, in denen viele Touristen sind.

So hat z. B. unser Ausflug in die Touristenzentren des Südens richtig ein Loch in der Kasse hinterlassen und der März war unser teuerster Monat, der die Ersparnisse von Januar und Februar gleich mit aufgezehrt hat.

Es ist auch schwer, hier zu versuchen Urlaub zu machen, wenn man ständig aufs Geld achten muss und die Kasse nur regungsloses am Strand sitzen zulässt. Im Nachhinein wären wir lieber weiter Fahrrad gefahren, zumal ja alles gerade so gut lief.

Thailand ist im Großen und Ganzen ein sehr einfaches Reiseland und hat es uns nie wirklich schwer gemacht. Der zu Anfang gewöhnungsbedürftige Linksverkehr bereitete uns schon nach kurzer Zeit keine Probleme mehr und man kann sagen, dass der Verkehr, auch wenn es auf den ersten Blick nicht den Anschein hat, hier weniger aggressiv als in Deutschland ist, so dass es Spaß gemacht hat, hier zu fahren.

Auch das Fahrradfahren in Bangkok ist kein Ding der Unmöglichkeit. Die Unfallstatistik spricht allerdings eine andere Sprache und so gibt es laut „Bangkok Post“ 2,9 Verkehrstote in der Stunde!

Die Straßen waren überwiegend gut bis sehr gut. Einzig die Ersatzteilversorgung für 28″ Bereifung hat uns große Probleme bereitet, aber letztendlich doch irgendwie geklappt.

So richtig gut hat es uns überall dort gefallen, wo der „normale“ Tourist noch nicht so häufig anzutreffen ist. Zu Anfang war es aufgrund fehlender Sprachkenntnisse nicht so ganz einfach. Oft sind wir mit Englisch nicht so recht weiter gekommen, da die Jugend sich nicht immer traut und die Älteren gar kein Englisch sprechen. Aber irgendwie kann man sich ja immer verständlich machen. Nett waren sie alle zu uns. Probleme hat es auch hier nie gegeben.
Es war immer wieder aufmunternd, wenn ganze Schulklassen laut rufend hinter uns herwinkten.

So fühlten wir uns die ganze Zeit über wie gerngesehene Gäste in diesem Land. Auffällig ist, dass es hier extrem viele Thailänder gibt, so dass, selbst wenn man denkt, man hat den ultimativ ruhigen Zeltplatz gefunden, garantiert kurz nach dem Aufbau ein Hirte seine Herde vorbeischeucht, einer vom nächsten Baum steigt oder aus dem nächsten Wasserloch klettert und wenn mal abends keiner aufgetaucht ist, dann kam morgens einer. Und wenn mal wirklich keiner kommt, dann geht im übernächsten Gebüsch plötzlich laute Musik an. Das Gefühl mal alleine zu sein hatten wir selten und absolute Ruhe hatten wir nie.

In Sachen Unterkunft waren wir nicht wählerisch. In der Kategorie umsonst bis 10 DM wird teilweise erstaunliches geboten, teilweise muss man sich aber auch erstaunliches bieten lassen.
So hatten wir super-saubere große Zimmer mit schöner Aussicht und nettem Service, aber auch laute, fensterlose und alles andere als saubere ohne Klo. In einem Gästehaus, wo wir keine Steckdose im Zimmer hatten, wollte man zusätzlich 20 Baht fürs Telefon aufladen von uns.

Gegessen haben wir, auch wenn wir meist von Restaurants gesprochen haben, in den kleineren Garküchen auf der Straße. Am Anfang sehr einseitig (gebratener Reis), da dass mit dem Bestellen nicht so einfach war und dass mit dem Zeigen hat oft nur in der Theorie geklappt.

Die thailändische Küche ist echt lecker und wir wissen jetzt schon, dass wir sie vermissen werden. Schlecht gegessen haben wir nie.

Stichwort 174 Tage: Auch wenn sich das alles bis hier so schön anhört, sollte man hierbei nicht vergessen, dass unsere Reise, für die wir sehr viel aufgegeben haben, nicht unbedingt mit Urlaub gleichzusetzen ist und auch nicht immer ganz einfach war.
Wir haben alles Gewohnte zu Hause gelassen, kein Tag ist wie der andere und „Kleinigkeiten“ stellen eine neue Herausforderung dar. Man kommt hier nie nach Hause. Im Gegenteil, man weiß oft nicht, wo man abends schläft, wann es was zu essen gibt und wann man endlich mal wieder duschen kann.

Alltägliche Dinge wie ein Arztbesuch oder der Gang zum Frisör sind eben nicht alltäglich. Es gibt Momente, da sehnen wir uns danach, mal wieder im eigenen Bett aufzuwachen, die eigenen Katzen streicheln zu können. Danach, mal wieder von der Arbeit nach Hause zu kommen, den Fernseher einzuschalten und mit nem Kaffee auf dem Sofa zu sitzen. Und vielleicht klingelt es dann auch an der Tür und Besuch kommt vorbei…

Immerhin geht jetzt schon mal einer unserer Wünsche in Erfüllung und wir werden uns vor der Sonne nicht mehr verstecken müssen und endlich mal wieder schöne frische kühle Luft atmen können.

 

25 km – zum Flughafen

„Generaldirektoren“ im Securitykostüm

Den Vormittag verbringen wir mit Sachen packen und wir finden noch einen Käufer für Steffis kaputte Isomatte und unsere ausgelesenen Bücher. Da wir um 12 das Zimmer verlassen müssen und Bangkok mit vollgepackten Rädern nur halb soviel Spaß macht, machen wir uns langsam auf den Weg zum Flughafen.
In einem Moment der Unachtsamkeit gelingt es uns falsch abzubiegen und ehe wir uns versehen befinden wir uns in dem schmalen Gassengewirr eines „Armenviertels“ entlang der Bahngleise. Irgendwie scheint man uns anzusehen, wo wir hinwollen, denn ohne dass wir fragen müssen, winken uns alle in eine bestimmte Richtung durch. Der Weg wird immer enger und wir passen gerade noch mit unseren breiten Rädern durch. Wir glauben nicht, dass wir hier jemals irgendwo hinkommen, bis wir uns unvermittelt mitten auf den Bahngleisen wiederfinden. Auch hier winken uns, ohne dass wir fragen müssen, ein paar Jugendliche in eine bestimmte Richtung. Als wir, statt nach links abzubiegen, eine Rechtskurve um eine Riesenpfütze fahren, kommt sofort einer mit dem Moped hinter uns her, um uns wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Durch ein Loch im Zaun landen wir wieder auf einer richtigen Straße im dichten Verkehr.

Auf dem Flughafen sind wir bereits 10 Stunden vor dem Abflug, dass war nicht nur langweilig, aber meistens.

Richtig kurzweilig war dann der Check In. Mit zwei „Generaldirektoren“ im Securitykostüm verhandeln wir über den richtigen Reifendruck für den Flug und jeder meint, mal bei uns Luftablassen zu müssen (als wir die Räder in Istanbul wiederbekommen, hat ein Dritter auch noch den letzten Rest rausgelassen).
Nächste Hürde: Der Drache im Supervisorkostüm von Türkish Airlines. Der war noch etwas aufgestachelt durch unsere Hartnäckigkeit beim Reifendruck und versuchte, schlecht gelaunt, eine Departure Tax von Istanbul von uns zu kassieren. Im Türkish Airlines Büro in der Stadt hat man uns erzählt, dass die erst in Istanbul fällig ist und dem entsprechend hatten wir nicht genug Geld dabei.
Diskussion zwecklos, wir kommen nicht drumrum und müssen noch mal umgerechnet 25 Euro (+ 2.50 Euro Gebühr für EC-Karte) am Geldautomat ziehen.

Dass schlimmste waren die Clowns, die unsere Räder schließlich abgeholt haben, das alles fürchterlich witzig fanden, einen Teil der von Türkish Airlines ausdrücklich gewünschten Verpackung wieder abtüdeln und ein rücksichtsloses Wettschieben mit unseren Rädern durch den halben Flughafen veranstalten. Wir machen die Augen zu, holen unsere Ausreisestempel und sitzen die letzten 1,5 Stunden bis zum Start ab.
In einem großen Flugzeug der TA voller übelgelaunter Stewardessen und vielen alleinreisenden Männern, sehen wir Bangkok unter uns immer kleiner werden und fallen erschöpft in einen wohlverdienten Halbschlaf.

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